Geschichte der Kampfschwimmer

Geschichte der deutschen Kampfschwimmer nach dem Zweiten Weltkrieg

Einleitung

Bereits in den ersten Überlegungen zu einer Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland, der “Himmeroder Denkschrift”, wurde die Fähigkeit Kampfschwimmer betrachtet und deren Bedarf begründet.

Kampfschwimmer! Was in anderen Truppengattungen und Verwendungen hohe Ausbildung im und am spezifischen Waffensystem bedingt, ist bei den Kampfschwimmern im Individuum, dem Menschen selbst zu finden. Damals wie heute stand und steht bei dieser Fähigkeit der Mensch an sich im Mittelpunkt. Der Kampfschwimmer entfaltet seine hohe Effektivität aber erst im Team, genauer gesagt als Hochleistungsteam in einem so genannten Hochrisiokoumfeld.

Für diese Effektivität benötigt der Kampfschwimmer eine Dimension, die schwer zu greifen aber in diesem Arbeitsumfeld von enormer Wichtigkeit ist. Diese Dimension heißt Erfahrung. Erfahrungen sind zwangsläufig mit einer Zeitkomponente verbunden und leben von deren Weitergabe in der Lehre und Ausbildung. Effektive Hochleistungsteams benötigen Zeit, um Erfahrungen zu sammeln und mit diesen zu wachsen. Die Fähigkeit Kampfschwimmer ist seit mehr als 65 Jahren gewachsen. Die Kampfschwimmerkompanie feierte 2024 ihr 60stes und das Kommando Spezialkräfte der Marine das 10jährige Bestehen.

Die Kampfschwimmerkompanie ist unmittelbar mit dem Beginn, dem Aufbau der Streitkräfte und so mit der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verbunden. Der nachfolgende kurze historische Abriss soll einen kleinen Einblick in die Entwicklung zum "Hochleistungsteam Kampfschwimmer" geben.

1950 - 1960: Der Beginn

Bereits fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges trafen sich in dem Eifelkloster Himmerod 15 ehemalige höhere Wehrmachtsoffiziere zu einer Tagung. Das Ergebnis ihres Treffens: die "Himmeroder Denkschrift". Sie sollte die Grundlage für die Wiederbewaffnung und den Aufbau der neuen Bundeswehr werden. Die Wiederbewaffnung zu diesem Zeitpunkt war nicht nur eine praktisch - militärische, sondern auch eine politische und für die Deutschen zudem eine psychologische Herausforderung. Um auf einen möglichen westdeutschen Verteidigungsbeitrag vorbereitet zu sein, ließ Bundeskanzler Konrad Adenauer daher ehemalige Generalstabsoffiziere, Generale und Admirale der drei Wehrmachtsteile auswählen, die teilweise dem Widerstand gegen Hitler zuzurechnen waren und alle als "unbelastet" galten. Unter ihnen drei Marineoffiziere: Admiral a.D. Walter Gladisch, Kapitän zur See a.D. Alfred Schulze-Hinrichs und Vizadmiral a.D. Friedrich Ruge.

Die Tagung des Expertengremiums fand vom 5. bis 9. Oktober 1950 statt. Das Ergebnis wurde in der Denkschrift festgehalten und bildete später zusammen mit der "Inneren Führung" die militärstrategische Grundlage für die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland. Innerhalb des "maritimen Kontingents" stützte man sich auf die Auswertungen des Naval Historical Teams (NHT), einer Einrichtung der US Armee in Bremerhaven, die ehemalige Offiziere der Kriegsmarine Studien über die deutschen Kriegserfahrungen anfertigen ließ. Einer dieser Männer war Vizeadmiral a.D. Hellmuth Heye, ein Crewkamerad von Vizeadmiral a.D. Ruge und gegen Ende des Zweiten Weltkrieges Admiral der Kleinkampfverbände. Der Beitrag über Landungs- und Kommandounternehmen wurde durch Vizeadmiral a.D. Heye schwerpunktmäßig bearbeitet. Hier war es zum einen die Absicht, zur Sicherung der Heeresflanken gegnerische Landungsunternehmen abzuwenden, zum anderen die Schaffung von Kräften für "Kommandounternehmen und Landungen weit im Rücken der russischen Front, um Kräfte zu binden und Unsicherheit zu erzeugen" (Monte 1992). Vizeadmiral a.D. Heye äußerte sich zu seinem Beitrag mit den Worten: "Kleinkampfmittel, welcher Art auch immer, werden stets nur eine Ergänzung der regulären Kampfmittel sein. Sie können diese niemals ersetzen. Sie sind jedoch hervorragend geeignet, durch den Einsatz weniger geübter und entschlossener Männer, sehr viel stärkere Kräfte des Gegners zu zersplittern und zu binden."

Hierzu wurden festgelegt: Zwei Flottillen von Kleinkampfmitteln mit Zwei-Mann-Ubooten, Sprengbooten sowie zwölf Landungsfahrzeuge mit Raketenbatterien für den defensiven Einsatz, zwölf Infanterie-Landungsfahrzeuge für je 200 Mann, zwölf Panzer-Landungsfahrzeuge für je vier Panzer, Amphibien- oder andere große Motorfahrzeuge und Kommandotrupps für den offensiven Einsatz.

Der im Vergleich zu den Forderungen nach seegehenden Fahr- und Flugzeugen sehr stark vertretene Anteil an Landungskräften und die Forderung nach Kommandotruppen spiegelt den Stellenwert der zukünftigen amphibischen Einsatzführung der Bundesmarine wieder. Die geschichtlichen Ereignisse der nächsten Jahre bestätigten die "Himmeroder Denkschrift" als eine solide Planungsgrundlage für die strategischen Vordenker hinsichtlich des Aufbaus eines bundesdeutschen Militärbeitrags.

Geplant war zunächst, dass die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft EVG wieder Streitkräfte aufstellen sollte. Das Abkommen dazu wurde am 27. Mai 1952 unterzeichnet. Da sich die französische Nationalversammlung am 30. August 1954 aber gegen eine Ratifizierung aussprach, wurden diese Pläne nicht umgesetzt.

Durch die Unterzeichnung der Pariser Verträge am 23. Oktober 1954 wurde die Bundesrepublik Deutschland dann zum Beitritt in die North Atlantic Treaty Organisation (NATO) eingeladen, um schließlich am 6. Mai 1955 - einen Tag nach Gründung der Bundeswehr - Mitglied der NATO zu werden. Recht zeitnah wurde am 19. Mai 1955 der Warschauer Pakt von der UdSSR mit den weiteren Mitgliedsstaaten Albanien, Bulgarien, DDR (noch ohne Streitkräfte), Polen, Rumänien, Tschechoslowakei und Ungarn gegründet. Somit wurden die beiden Machtblöcke geschaffen, die sich in der Folge im "Kalten Krieg" gegenüberstanden. Sie prägten die Militärpolitik der folgenden Jahrzehnte und schließlich den Aufbau der Bundesmarine, der Volksmarine und in beiden Marinen je einer deutschen Kampfschwimmereinheit.

Wie in den anderen Teilstreitkräften der Bundeswehr, waren auch in der Marine die Männer der ersten Stunde ehemalige Angehörige der Kriegsmarine. Jeder militärische Vorgesetzte musste eingehend überprüft werden. Wurde er als unbelastet eingestuft, konnte er in die Bundeswehr übernommen werden. Aus der Politik wurde Kritik an der Verwendung dieser Männer geäußert. Bundeskanzler Adenauer antwortete sinngemäß zu diesen Vorwürfen: Die NATO nehme ihm keine 18-jährigen Generäle ab.

Aus Sicht der deutschen Marineplaner konnten die Aufgaben der künftigen Marine in sechs Punkten zusammengefasst werden:

  • Sicherung der Ostseezugänge
  • Unterbindung feindlichen Schiffsverkehrs in der Ostsee
  • Unterstützung des Heeres
  • Sicherung eigener Seeverbindungen
  • Beschränkte Beteiligung an den Sicherungsaufgaben im Nordatlantik
  • Angemessene Repräsentation der Bundesrepublik Deutschland in Übersee

Der für die Aufstellung der Kampfschwimmer der Bundesmarine entscheidende dritte Punkt, die Unterstützung des Heeres, sollte innerhalb der bundesdeutschen Marinestruktur ein neues Kapitel eröffnen: Amphibische Kräfte.

Nötig wurden diese Kräfte angesichts amerikanischer Erfahrungen im Koreakrieg, verbunden mit der Erkenntnis, dass das Gebiet nördlich der Elbe ohne amphibische Kräften nicht verteidigt werden könnte. So wurden am 1. April 1958 das 2. Landungsbootgeschwader, das mit ehemaligen Booten der US Navy ausgestattet wurde, und das Marine-Pionierbataillon in Wilhelmshaven - Sengwarden aufgestellt. Mit Bildung des Kommandos der Amphibischen Streitkräfte in Wilhelmshaven wurde die nötige Kommandostruktur für amphibische Landungen geschaffen. Bereits 1959 erfolgte die Umbenennung des Marine-Pionierbataillons in "Seebataillon", gegliedert in vier Kompanien: Bootskompanie, Strandmeisterkompanie, Strandpionierkompanie, Stabs- und Versorgungskompanie.

Einhergehend mit dem Aufbau der Amphibik wurde der Marineführung die Notwendigkeit einer Kampfschwimmereinheit bewusst, zumal inzwischen jede andere NATO-Marine über eine solche Einheit verfügte. Jedoch war das ehemals vorhandene Wissen um die Strukturen einer solchen Einheit nicht mehr oder kaum noch vorhanden. Erschwerend kam hinzu, dass der Entwicklungsprozess der letzten zehn Jahre an der jungen Bundesrepublik vorbei gegangen war. Woher also das Wissen nehmen?

Nach Erkundigungen bei den NATO-Partnern erklärte sich Frankreich zur Unterstützung beim Aufbau einer solchen deutschen Einheit bereit. Warum Frankreich? Der Kampfschwimmeroffizier Kapitänleutnant a.D. Ulrich Sassen schrieb 1992 dazu: "Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges wurde die Entwicklung der Ausrüstung und die Einsatzmöglichkeit der Kampfschwimmer von den Franzosen weitergetrieben. In ihrer Unterwasser-Forschungsarbeit unter Leitung von Jacques Cousteau entwickelten sie neue Tauchausrüstungen auch für militärische Zwecke. Wo findet nun ein neu entwickeltes System seine Bestätigung? Diese Möglichkeit bot den Franzosen der Indochinakrieg. Die Erfahrungen des Krieges bildeten nun den "nageur de combat", der mit den Kampfschwimmern des Zweiten Weltkrieges nichts mehr gemeinsam hatte. Früher lag das Einsatzgebiet des Kampfschwimmers nur im Wasser, jetzt ging der Kampfschwimmer auch an Land und operierte dort weiter. Er ist dazu gezwungen, sich an Land ebenso sicher zu bewegen wie im Wasser, da er seinen Rückweg wohl in den meisten Fällen über Land nehmen wird oder muss. Er ist ein Einzelkämpfer zur See und zu Land geworden." (Sassen, 1992).

Nachdem zwei Soldaten des Stammpersonals des Seebataillon den sechsmonatigen Lehrgang von Januar bis Juli 1959 an der Tauchschule der französischen Kampfschwimmer im südfranzösischen St. Mandrier absolviert hatten - hierbei handelte es sich um WK II Kampfschwimmer Kapitänleutnant Günter Heyden und Maat Fred Langhans - wurde das notwendige Material angeschafft. Die Marine war somit bereit, die erste Ausbildung in Deutschland durchzuführen. Als Ausbildungsort wurde List auf der Insel Sylt gewählt.

1960 - 1970: Die Wiedergeburt eines Seekriegsmittels

Der erste Kampfschwimmerlehrgang der Nachkriegsgeschichte begann unter Leitung von Kapitänleutnant Herbert Völsch und Oberbootsmann Walter Prasse am 1. Juli 1959 mit 13 ausgewählten Soldaten, drei Unteroffizieren und 10 Mannschaften. Die Wilde Dreizehn! "Einen Monat später wurde der erste Kampfschwimmerzug der Strandmeisterkompanie dem Seebataillon in Sengwarden mit Standorten in Eckernförde und Borkum unterstellt." (Sassen 1992). Nach ihrer Aufstellung betrug die Stärke der Kampfschwimmer somit insgesamt 15 Mann. Das spezielle Einsatzspektrum des Kampfschwimmerzuges in der Strandmeisterkompanie war etabliert. Der Kampfschwimmereinsatz wurde Anfang 1960 infolge eines neuen Einsatzkonzeptes erweitert und es wurde erkannt, dass die Fähigkeit von der Nordsee in den Ostseeraum verlegt werden musste. Nach diversen Standortwechseln von List über Sengwarden und Borkum, wurden die Kampfschwimmer als abgesetzter Zug unter Führung von Oberleutnant zur See Bernd Kielow dann in der Marinekaserne Carlshöhe in Eckernförde stationiert.

Drei große Änderungen bewirkte das neue Einsatzkonzept. Erstens die Verstärkung von Zug- auf Kompaniestärke, dem mit dem Aufstellungsbefehl Nummer 124 "Kampfschwimmerkompanie" am 1. April 1964 Rechnung getragen wurde. Zweitens erfolgte die Herauslösung aus dem Seebataillon, um die Kampfschwimmer zur eigenständigen Operationsführung zu befähigen. Truppendienstlich war nun das Kommando der Amphibischen Kräfte verantwortlich und operativ das Flottenkommando direkt. Und drittens die Modifizierung der Ausbildung unter Kapitänleutnant Herbert Völsch - die Hallenausbildung war noch in List – mit einer deutlichen Erweiterung von bisher vier auf nunmehr 18 Monate. Der Kampfschwimmeranwärter wurde zum "Allrounder". Nach der viermonatigen Kampfschwimmer-Basisausbildung, absolvierten nun die Anwärter den Kraftbootführerschein, Sprenghelfer, Fallschirmspringer (Automatik, später auch manuell) sowie die Ausbildung zum Einzelkämpfer, Kraftfahrer und einige Spezialausbildungen u. A. zum Waffeneinsatz. Die Wahrnehmung der Kampfschwimmer änderte sich. Mit der hochwertigen Ausbildung und dem parallelen Bemühen aller Kompaniechefs - beginnend mit Kapitänleutnant Günter Heyden - begann eine Modernisierung und Anpassung der bis dato beschafften Ausrüstung. So wurde 1966 das Sauerstoff-Kreislaufgerät Lt-Lund-II durch das LungenAutomatische Regeneriergerät II (LAR II) ersetzt. Ein Qualitätssprung, der auch das Tauchen auf ein anderes Niveau brachte. Der Einsatzwille und die Effizienz bewegte die junge Einheit. Ebenso fanden neue Tauchanzüge, Schlauchboote mit Außenborder und die MP 2 ihren Weg in die Kompanie. Das Streben nach Effizienz - mit einem Minimum von Personal und Material größtmögliche Erfolge zu erzielen - blieb nicht verborgen. Die Marineführung erkannte den Kampfschwimmer als ein kostengünstiges und wertvolles Seekriegsmittel des Befehlshabers der Flotte. Ende der 60er-Jahre waren die Kampfschwimmer in der modernen Marine angekommen und hatten die Grundlage zur späteren Zuordnung als Spezialkräfte gelegt.

Aber auch andere Nationen - allen voran die Vereinigten Staaten von Amerika - erkannten den Nutzen von Kampfschwimmern. So wurden am 01. Januar 1964 die US Navy SEALs auf Weisung des damaligen Präsidenten John F. Kennedy gegründet. Auch hier wurde der triphibische Ansatz verfolgt. Der Name SEAL ist als Kürzel aus SEa, Air, Land entstanden und beschreibt, wie und wo die SEALs ihre Heimat finden sollten.

 

Fortsetzung folgt ...